clubblumen

Im Bonner Museum König, dem altehrwürdigen und stets etwas muffigen Naturkundemuseum, versuchte mein von der Jagd begeisterter Grossvater mich immer wieder für ausgestopftes -und bereits etwas verstaubtes- Dammwild zu interessieren. Damit hatte er wenig Erfolg, eigentlich ging ich nur mit um ihm einen Gefallen zu tun. Erst Jahre später, bei einer Stippvisite, auf Erinnerungspfaden, da stolperte ich selbst über Tiere, die mich seitdem immer wieder dahin ziehen. Weniger erhaben wie die majestätischen Hirsche, sondern vielmehr in Reih und Glied, in Schubladen unter Glas lagen unterschiedliche Sorten von Wanzen, mit faszinierend schillernden Panzern, wie Öl auf Wasserpfützen. In einem Schaukasten entdeckte ich ein Foto, das mich heute noch fasziniert. Auf dem Revers eines Sakkos sah man eine solche Wanze sitzen, gefasst in einer wuchtigen Fassung aus Gold, und, wie eine Taschenuhr, mit dicker goldenen Kette am Knopfloch befestigt. Ein beigefügter Text referierte, dass die in Gold gefasste Prachtwanze bei südamerikanischen Drogenbaronen als "lebendes Schmuckstück" beliebt sei, und wie eine bewegte Brosche auf dem Anzug des Besitzers herumkrabbeln dürfe, als Alternative zur Nelke im Knopfloch. Je länger ich an dieses Foto denke, um so zwingender erscheint es mir als eine Metapher für das, was vom Künstler in der Gesellschaft zunehmend erwartet wird, sich nämlich marktkonform zu verhalten. Zunehmend ist ja zu beobachten, dass von Kunst weniger gesellschaftliche Impulse erwartet werden, sondern, dass Künstler einfach nur schillern sollen, den gängigen Klischees entsprechen und sich mehr oder weniger glücklich in ein Schicksal als Schmuckstück der Gesellschaft zu ergeben. Viele Künstler streben genau dies an, und bewegen sich so selbstverständlich am Gängelband des Kunstmarktes, als ob darin die höchste Vollkommenheit jeder künstlerischen Disziplin zu suchen wäre. Dabei ist der Kunstmarkt bestimmt nicht das Maß aller Dinge wenn es um die Verbindung von Kunst und Ökonomie geht.

Deswegen fasziniert mich das clubblumen Projekt von Flora Neuwirth. Flora trägt die Blume schon im Namen, Flora, ebenso wie den Clubbetreiber, denn was ist der anderes als ein neuer Typus eines Wirts? Aber die clubblumen haben weniger mit Exklusivität zu tun, stattdessen ist dieses Projekt unvorstellbar großzügig. Es wendet sich an alle, es bezieht viele Aktivisten dies- und jenseits der Kunst mit ein. Die Künstlerin selbst zieht als Initiatorin, als Gestalterin, als Impressario diskrete Fäden, tritt aber hinter einer Genreübergreifenden und die Grenzen der Kunst hinter sich lassenden Vision eines Miteinander zurück. Und greift dabei mühelos die losen Enden wichtiger Diskurse der zeitgenössischen Kunst auf, nach der Berechtigung von Kunst im öffentlichen Raum, der Zukunft "relationistischer" Kunstpraxis und den Möglichkeiten von Kunst eine "community" zu stiften. Musik, Kochen, Gemeinschaftsarchitektur - die klassischen Modellsituationen utopischer sozialer Konstruktionen passieren hier Revue, und werden in einen Dialog mit ihrer Umgebung treten, und dabei den weit verzweigten Interessen der Künstlerin und ihrer manchmal etwas unübersichtlich wirkenden Praxis, die zwischen Dienstleistungen, kreativ Gestaltetem und künstlerisch freiem Schöpfen hin und her mäandert, Rechnung tragen. Eine Selbstdarstellung mit so vielen Beteiligten, in der die vielen scheinbar disparaten Interessen sich zu einem schlüssigen Ganzen verbinden, das lebendig ist und sich bewegt, ganz ohne Prunk, ohne Ketten. Was hier als Kunst entstehen wird, wird unmittelbar in die Textur der Gesellschaft übergehen, ohne den Filter eines institutionellen Rahmens. Das wird vielleicht niedlich, wild, oder wahrscheinlich stellenweise beides. Aber es wird kaum etwas übrig bleiben, was im Museum verstauben kann, weder servile Wanzen, noch erhabene Staubfänger. Deswegen jetzt: hingehen, atmen, anschauen, trinken, essen und dabei sein.

Andreas Schlaegel, www.artcriticsorchestra.com